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arabischer Frühling, König Hassan II. von Marokko, König Mohammed VI., Kronprinz Moulay Hassan von Marokko

Der Vater des jetzigen Monarchen, König Hassan II. von Marokko (*9. Juli 1929 – † 23. Juli 1999) wurde vor 90 Jahren geboren und starb vor 20 Jahren. Er war König seit dem Tod seines Vaters am 26. Februar 1961
Der Autor lebt seit einigen Monaten in Marokko, einer konstitutionellen Monarchie, wo König Mohammed VI. anders als seine Pendants in den europäischen parlamentarischen Monarchien die Politik zu einem guten Stück selbst bestimmt. Dies tut er unter anderem über Thronreden, in denen er sogenannte „hohe königliche Orientierungen“ (hautes orientations royales) vorgibt, die seine Minister dann umzusetzen haben. Laut Verfassung bestimmt er auch den Premierminister, auch wenn er diesen aus der stärksten Partei wählen muβ. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und bestimmt die Richtlinien der Politik der sogenannten souveränen Bereiche selbst: Verteidigung, Außenpolitik und Recht. Gleichzeitig ist der König auch Oberhaupt der Gläubigen. Informell sind viele Funktionen in Marokko zwischen gewählter Volksvertretung und dem König und seinem Umfeld gespiegelt: In den Regionen gibt es beispielsweise einen königlichen Gouverneur, den Wali, der die Zügel bei wichtigen Fragen an den Parlamenten vorbei in die Hand nehmen kann. Das Umfeld des Königs, das sogenannte „Maghzen“, besetzt zahlreiche Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Schließlich besitzt der König auch die meisten marokkanischen Großunternehmen. Wenn man über den König spricht oder schreibt, muß man immer die Höflichkeitsformel „Gott helfe ihm“ anfügen, bei verstorbenen Königen wird die Formel „Gott möge seiner Seele gnädig sein“ gebraucht.
Der seit 1999 regierende Mohammed VI., dessen Bild in allen Amtsstuben hängen muβ und auch in den meisten Geschäften hängt, gilt im Volk als beliebt, und das ist auch ehrlich gemeint, sonst hätte die Monarchie wie so viele andere Regierungen den Arabischen Frühling kaum überlebt, auch wenn der König dann im Zuge einer Verfassungsreform 2011 einige Rechte abgab. Die noch weit davor durchgeführte Reform des Familienrechts von 2004, welche Frauen deutlich mehr Rechte zugesteht, hat der König gegen zahlreiche Widerstände durchgesetzt, und das wird ihm von den meisten Marokkanern hoch angerechnet. Er ist auch der erste Monarch mit einer Ehefrau statt mehreren Konkubinen. Die Islamisten hält der König in Schach, was Marokko zu einem der am wenigsten strikten arabischen Länder in bezug auf den Islam macht. Die starke Präsenz der königlichen Polizei und der königlichen Streitkräfte macht Marokko zudem zu einem der sichersten Länder in Nordafrika, was auch für Wirtschaftsinvestitionen und die Ansiedlung von Unternehmen ein entscheidender Faktor sein kann. Schließlich konnten seit der Flüchtlingskrise auch substantielle Fortschritte im Hinblick auf die Anerkennung der marokkanischen Hoheit über die Westsahara gemacht werden, denn niemand möchte einen weiteren fragilen Staat in der Nähe Europas.
Trotzdem ist vieles im Argen in Marokko: Armut, Korruption, häusliche Gewalt, Ungleichheit, fehlende Freiheit der breiten Masse, schlechte Bildung. Viele junge Menschen sind enttäuscht, weil sie mit ihren Studien, die nicht europäischen Standards entsprechen, weit entfernt davon sind, eine für sie angemessene Arbeit zu finden und oft leben die Menschen in Marokko bis zur Heirat und der Suche eines eigenen Heims in einem Raum mit ihren Brüdern und Schwestern. Ein normales Gehalt liegt in den Städten vielleicht bei 600 Euro. Das gilt aber nur für Leute, die einen Arbeitsvertrag haben, und auf dem Land kommen die Menschen vielleicht mit 100 Euro im Monat zu Rande. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hält nicht mit der demographischen Entwicklung mit, und so suchen momentan noch sehr viele Marokkaner ihr Glück im Ausland. Falsche Erwartungen und kulturelle Unterschiede führen dann dazu, daß viele von ihnen scheitern und einige von ihnen kriminell werden, was zu einem schlechten Ruf von Marokkanern in Europa geführt hat. Ausschreitungen wie zu Silvester 2015 in Köln werden aber durchaus auch in Marokko als nationale Schande empfunden und diejenigen, die in Europa kriminell werden, müssen nicht denken, daß sie in ihrem Heimatland ehrenvoll empfangen werden.
Wenn man die Situation also mit europäischen Ländern oder den USA vergleicht, schneidet das Land natürlich schlecht ab. Ein solcher Vergleich wäre jedoch falsch, vielmehr muß Marokko mit anderen Ländern der arabischen Welt verglichen werden, und hier schneidet es wie bereits erwähnt sehr gut ab. Das schafft Marokko anders als der große, aber instabile Nachbar Algerien, wo Erdöl sprudelt, ohne größere natürliche Ressourcen.

Als in Paris im November 2018 des Waffenstillstands des 1. Weltkriegs gedacht wurde, wurden von Präsident Macron auch König Mohammed VI. (M.) und sein Sohn Kronprinz Moulay Hassan empfangen.
Sorgen bereitet für die Zukunft neben der demographischen Entwicklung der Gesundheitszustand des Königs, über den offiziell nicht gesprochen werden darf, wobei der physische Verfall jedoch für jedermann sichtbar ist. In jüngster Vergangenheit unterzog sich Mohammed VI. einer Operation am Herzen und ihm wurde auch ein Tumor in der Nähe des Auges entfernt. Kronprinz (Moulay) Hassan ist noch sehr jung und hätte kaum das politische Gewicht seines Vaters, jedoch sieht man ihn seit der Herzoperation bei offiziellen Anlässen immer an seiner Seite.
Alles in allem kann also gesagt werden, daß die Monarchie seit der Unabhängigkeit einen sehr guten Job macht, was auch zu Überlegungen führt, wie heute wohl Staaten wie Libyen, der Irak, der Iran oder andere Staaten der arabischen Welt aussehen würden, hätten sie wie Marokko, Jordanien oder auch die Golfstaaten ihre Monarchien behalten. Hassan II., der Vater des gegenwärtigen Königs, überlebte zwei Putschversuche gegen ihn im übrigen nur sehr knapp. Daß die heute stabile Monarchie in Marokko überlebt hat, war also eine sehr glückliche Wendung.
L.R.