Schlagwörter
Alfred Kerr, Corona, Forschungsstelle Gruft, Gerhard Ritter, Großbritannien, Harald Schukraft, Henri Nannen, Karlsruhe, König Philippe der Belgier, König Philippe I., König Richard III., Königreich Belgien, Königreich Württemberg, Monarchisten
Bei Umbenennungen wird mit zweierlei Maß gerichtet
Die Umbenennung von Straßen wird in deutschen Stadträten zur Dauerbeschäftigung. Selten werden die Aktionen interessierter Gruppen von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt (einer der wenigen Fälle wurde in Münster beobachtet). Aber die Tilgung „geschichtlich belasteter Personen“ geht munter weiter und weitet sich auf andere Felder aus.
Bereits 2008 beschloß die in Freiburg erscheinende Badische Zeitung, den nach dem Historiker Gerhard Ritter benannten Preis zur Auszeichnung hervorragender geschichtswissenschaftlicher Arbeiten umzubenennen, denn einen Monarchisten als Namensgeber, das erschien der liberalen Tageszeitung nicht mehr zumutbar; (Corona berichtete). Inzwischen ist der nach dem Theaterkritiker Alfred Kerr benannte Alfred-Kerr-Darstellerpreis für Nachwuchsschauspieler in die Kritik geraten. Ausgerechnet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die 2008 noch die Beseitigung der Erinnerung an Gerhard Ritter kritisierte, forderte die Löschung von Alfred Kerr als Namensgeber. Der Berliner Tagesspiegel faßte die Attacke so zusammen: „Anlass sind einige Reime, mit denen der Jude Alfred Kerr (1867-1948) im Jahr 1914, teilweise satirisch ‚jiddelnd‘ oder Balkanvölker und Italiener sprachlich verballhornend, bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges gegen die Kriegsgegner Deutschlands polemisiert habe.“
Alfred Kerr war 1914 nicht der einzige, der sich von der Kriegsbegeisterung anstecken ließ. Bei den Mittelmächten wie bei den Allierten floß nationalistischer Überschwang in so viele Veröffentlichungen, Bilder, Statuen oder Musikkompositionen, daß die Eliminierung all dieser Werke einem Bildersturm gleichkäme, gegen den die chinesische Kulturrevolution als milde Kritik verblassen würde. Es entbehrt nicht einer pikanten Note, wenn das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, das den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik seit 1977 vergibt, prüfen will, ob der Preis umbenannt werden soll. Denn: Am 13. Mai 1933 wurde Kerr vom Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler auf die Liste der Autoren gesetzt, deren Werke „für das deutsche Ansehen als schädigend zu erachten“ seien. In der ersten Liste des Börsenblatts der aus öffentlichen Bibliotheken auszusondernden Literatur wurden die gesamten Schriften Kerrs genannt. Er selbst war bereits am 15. Februar 1933 nach Prag geflohen, zog von dort weiter nach Lugano, wo seine Familie am 4. März eintraf. Gemeinsam kamen sie 1935 nach London, wo Kerrs Tochter Judith bis heute lebt.
Von der Umbenennungseuphorie bleibt sogar eine Ikone der Publizistik im Nachkriegsdeutschland nicht verschont: Henri Nannen. Der (angeblicher) Gründer und langjährige Herausgeber des Magazins Stern hatte sich in Nazideutschland nicht eben als der Widerstandskämpfer betätigt, der er in seiner eigenen Rückschau vielleicht gerne gewesen wäre. Darauf wiesen zwei Preisträger des Henri-Nannen-Preises 2014 hin, die keine Auszeichnung, die nach einem Nazipropagandisten benannt wurde, in Empfang nehmen wollten. Henri Nannen schrieb im Alter von 26 Jahren in der Zeitschrift Die Kunst und das schöne Heim: „Und wie der Führer aus unserer innersten Mitte gleichsam als Verdichtung unseres ganzen Volkes wunderhaft heraufgestiegen ist, so hat er unser Volk wieder fest gegründet auf dem unerschütterlichen Grund der Herkunft und des Blutes, aus dem letzten Endes auch die Kunst ihre Nahrung empfängt.“ (journalist 7/2014, S. 13)
Die Frage, ob Henri Nannen ein angemessener Namensgeber ist, betrifft freilich nicht nur den berühmten Journalistenpreis, sondern auch die nach ihm benannte Journalistenschule von G+J, Spiegel und Zeit. Schulleiter Andreas Wolfers: „Es gibt unterschiedliche Positionen in der Debatte. Bei solchen grundsätzlichen Fragen hat jeder seinen eigenen Kodex.“ Im Detail sei es unter anderem um die Frage gegangen, ob „ein Namensgeber überhaupt makellos sein kann“ beziehungsweise „ein gebrochener Charakter als Namensgeber vielleicht gar nicht so schlecht ist.“ Diese milde Sichtweise gilt natürlich einem Propagandisten der progressiven Bundespolitik. Mit derselben differenzierten und differenzierenden Beurteilung werden nicht jene bedacht, die – wie der eingangs genannte Gerhard Ritter – ihr Fähnchen nicht im Wind hängtenn und am monarchischen Gedanken und seinen Werten festhielten. Monarchisten können in der Bundesrepublik nicht mit mildernden Umständen rechnen. H.S.
Memoria im Wandel
Ist von den architektonischen Hinterlassenschaften adliger Familien die Rede, kommen den meisten Menschen zunächst Schlösser und Burgen in den Sinn. Doch nicht nur hat uns der Adel noch ganz andere Bauwerke hinterlassen; viele Fürstlichkeiten weilen sogar nach wie vor – im wahrsten Sinne des Wortes – unter uns: Sie ruhen mehr oder weniger friedlich, gebettet in oftmals prunkvolle Särge, in Grüften und Mausoleen und harren der Auferstehung des Fleisches. „Memoria im Wandel – Fürstliche Grablegen im 18. und 19. Jahrhundert“ – so lautete der Titel einer Tagung am 19./20. September 2014 im Generallandesarchiv Karlsruhe, zu der die Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein und die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg eingeladen hatten. Das Publikum, das sich zwei Tage lang mit Themen wie der „Typologie des Sarges im Hause Württemberg vom 16. bis zum 21. Jahrhundert“ (Harald Schukraft) beschäftigte, war erfreulich gemischt: Neben versierten Landes- und Kulturhistorikern hatten sich auch zahlreiche interessierte Laien eingefunden, was deutlich für die ungebrochene Faszination spricht, die vom Themenkomplex Adel und Monarchie ausgeht.
Besonders beeindruckend waren die Vorträge des Ehepaars Regina und Andreas Ströbl, das vor einigen Jahren die Forschungsstelle Gruft ins Leben gerufen hat. Diese Einrichtung kümmert sich nicht nur um die wissenschaftliche Dokumentation, sondern auch um die Restaurierung von Gruftanlagen, die durch Vandalismus und widrige Zeitläufe – etwa auf dem Gebiet der ehemaligen DDR – oft über Jahrzehnte hinweg dem Verfall preisgegeben waren. Auf diese Weise können nicht nur neue Erkenntnisse über die Sepulkralkultur vergangener Jahrhunderte gewonnen, sondern auch den dort Bestatteten ihre Würde zurückgegeben werden. Nachdenklich stimmt allerdings, daß viele Adelsfamilien zwar eine Sanierung ihrer Familiengrablegen freudig begrüßen, eine finanzielle Beteiligung jedoch rundheraus ablehnen.
Daß man das eigentlich ernste Thema auch mit einem Augenzwinkern betrachten kann, bewies der nichtsdestotrotz höchst informative Vortrag des Juristen Cajetan von Aretin über „Das Eigentum an Fürstengräbern in Deutschland“, der unter anderem auf die Problematik der oft auseinanderfallenden Eigentumsverhältnisse an Gebäude, Sarg und Leichnam hinwies, wobei eine Trennung der beiden Letztgenannten sich gemeinhin als nicht unproblematisch erweist. Den Abschluß der Tagung bildete ein Besuch in der Großherzoglichen Grabkapelle im Hardtwald, bei dem die Teilnehmer auch einen Blick in die normalerweise nicht zugängliche Gruft werfen konnten. TG.
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Die vollständige 138. Ausgabe von „Corona – Nachrichten für Monarchisten“ steht hier zum Herunterladen bereit:
Corona – Nachrichten für Monarchisten, Ausgabe 138
Inhalt der 138. Ausgabe:
- Bei Umbenennungen wird mit zweierlei Maß gerichtet
- Belgien: Zeichen und Symbole
- Memoria im Wandel
- Großbritannien: Staatsbegräbnis nach 530 Jahren
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